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Albert Collins

Einer der ganz großen Bluesgitarristen ist Albert Collins, sein atemberaubendes Spiel kann in zahlreichen Youtube-Videos bewundert werden. „Full Gig!“ verspricht ein Live-Mitschnitt aus dem Jahr 1979, der Collins mit Band beim Montreux Jazz Festival in der Schweiz zeigt – wobei die Betonung durch das Ausrufezeichen absolut berechtigt ist.

Schlaghosen und lange Hemdkragen sind Ende der 70er-Jahre zwar gerade völlig aus der Mode gekommen, aber das tut nichts zur Sache. Während seine ausgezeichnete Begleittruppe, die „Icebreakers“, schon aufspielen, schlendert Collins auf die Bühne und schallt sich den Gitarrengurt nicht etwa auf dem Rücken fest, sondern legt ihn nur lässig vorne über seine rechte Schulter und spielt so das gesamte Konzert. Wir bekommen ein abwechslungsreiches, funkensprühendes musikalisches Feuerwerk geboten, annähernd 40 Minuten an geballter Rhythm&Blues-Power vom Feinsten, mal Nummern mit Collins‘ Gesang, mal reine Instrumentalstücke, bei denen er seinen Sound im Laufe des Sets durch ausgedehnte Feedback- und Sustain-Passagen auf der E-Gitarre anreichert.

Sein Instrument ist eine eindrucksvoll abgewetzte Fender Telecaster, wobei das Modell statt mit zwei klassischen Single-Coil-Tonabnehmern zumindest oben in der Halsposition mit einem Humbucker-Pickup ausgestattet ist – was den Overdrive, die erwünschten Klangverzerrungen, wärmer macht. Dazu kommt stets ein Kapodaster, meistens im 7. Bund, der Collins entsprechend höher zugreifen lässt, und seine sehr eigentümliche Anschlagtechnik, bei der er gänzlich auf ein Plektrum verzichtet und stattdessen die Saiten in rasantem Tempo mit Daumen und Zeigefinger anreißt. Letztes technisches Detail ist ein ungewöhnlich langes Gitarrenkabel, das Collins weite Spazierwege auf der der Bühne und selbst ausgedehnte Ausflüge ins Auditorium erlaubt – ein Markenzeichen des Gitarristen, was die Aufzeichnung aus Montreux in mitreißender Weise belegt.

Auch bei seinem Gastspiel in der Schweiz spielt sich Collins bereits nach fünf Minuten mit einem fulminanten Solo noch während der Auftaktnummer bis tief in den bestuhlten Saal hinein, in dem die Anwesenden enthusiastisch mit seiner Musik mitgehen. Dort steht er dann auf engstem Raum inmitten der hellauf begeisterten Menschenmenge, nimmt – ständig weiterspielend – sogar zwischen den Konzertbesuchern Platz, wobei die Telecaster geradezu mit den Zuhörern zu sprechen scheint, um sich wenig später wieder zu erheben, seine Gitarre über den Kopf zu schwingen und diese Hendrix-like auch hinterrücks zu bearbeiten. Alle Beteiligten sind komplett aus dem Häuschen, der Star und seine Fans begegnen sich ausgelassen und ohne Berührungsängste. So etwas Hässliches wie „Rassenschranken“ zwischen dem Afroamerikaner und dem „weißen“ Publikum, das sich offensichtlich aus Schweizern und Franzosen zusammensetzt, gibt es in Montreux nicht – das sind bewegende Momente, die heute wie damals berühren.

Nur dass die verzückten Gastgeber den Gitarristen sowohl zur Begrüßung als auch bei der Verabschiedung auf gut Französisch als „Albär Collins“ titulieren, klingt doch schon ziemlich putzig. Wer den „Master of the Telecaster“ live auf der Bühne in Montreux und dort auch im Publikum erleben möchte, der erreicht das Video über den folgenden Link: https://www.youtube.com/watch?v=v1c1SaG_gKA

Ein guter Anspieltipp ist Collins’ Titel „Cold Cold Feeling (ab 18:00), gefolgt von seinem bekannten Instrumental „Frosty” (ab 27:00). Empfehlung: das ganze Video anschauen!